In Hamburg arbeitet etwa die Technische Universität Hamburg (TUHH) an der Zukunft humanoider Robotik. „Wir schauen, wie sich Roboter erst im Spiel und später im Leben einsetzen lassen“, erklärt Patrick Göttsch, wissenschaftlicher Mitarbeiter mit Promotionsstelle an der TUHH und Vorsitzender der studentischen Arbeitsgruppe HULKs. Die Hamburg Ultra Legendary Kickers sind ein Roboter-Fußball-Team, das aus etwa kniehohen NAOs – humanoide Roboter des französischen Herstellers SoftBank Robotics – besteht, die dank fortschreitender KI autonom Ballpässe, Zweikampf und Spieltaktik beherrschen. Hinter dem spielerischen Ansatz verbirgt sich ernsthafte Forschung. Bei dem jährlichen Roboterfußball-Wettkampf ‘Robo-Cup’ messen sich Wissenschaftler aus aller Welt miteinander. Die Hamburger Nachwuchswissenschaftler werden durch Partner aus der Wirtschaft unterstützt, darunter Eppendorf Instruments GmbH, Freiheit.com, Sensorhersteller Sick oder Ibeo Automotive Systems.
Humanoide Robotik: Schritt für Schritt zur Normalität
Gehören durch Künstliche Intelligenz (KI) gesteuerte Roboter nun in die Welt der Science-Fiction oder werden sie schon bald Teil unseres Alltags sein? Samsung zumindest präsentierte auf der Elektronik-Fachmesse CES 2019 Mitte Januar in Las Vegas gleich drei verschiedene Service-Roboter (die Bots Care, Air und Retail). Sie könnten bei der Unterstützung für Senioren eingesetzt werden, die Luftqualität überprüfen und verbessern oder als eine Art Butler in Restaurants oder Hotels fungieren. Auch ein Schlafroboter (Somnox), der bei Einschlafstörungen helfen soll und ein Falt-Roboter für Wäsche (Foldimate) wurden auf der CES vorgestellt. Die internationale Forschung ist also in vielen Richtungen aktiv. Dies ist der fünfte Teil der Hamburg News-Serie: Künstliche Intelligenz.
HULKs: Durch Roboter-Fußball Künstliche Intelligenz begreifen
Roboter analysieren ihre Umwelt anhand von Pixeln
Durch das Fußball-Setting hoffen die Wissenschaftler auf maximale Aufmerksamkeit, um möglichst vielen Menschen die Möglichkeiten Künstlicher Intelligenz nahezubringen. 2050 etwa sollen die Roboter gegen die dann amtierenden menschlichen Weltmeister gewinnen. „Die Meinungen darüber, ob das realistisch ist, gehen auseinander“, sagt Göttsch. „Es gibt die Euphoriker und die Zweifler.“ Denn noch ist viel zu tun. Während ein gesunder Erwachsener seine Umwelt ganz natürlich einordnet und bewältigt, muss ein Roboter Schritt für Schritt programmiert werden. „Für einen Roboter stellt sich unsere Welt in Form von Farbinformationen – Pixeln – dar, aus denen er abstrakte Informationen generiert, auf deren Basis Algorithmen arbeiten. Die KI steuert beispielsweise Bewegung und Kraft, mit dem Ziel, fließende, robuste und möglichst schnelle Bewegungsabläufe zu erzielen“, erläutert der 35-Jährige.
Der Roboter als hilfreicher Mitbewohner
Aktuell wird der Einsatz von KI in verschiedenen Bereichen erprobt, ob in selbstfahrenden Autos, Drohen oder Haushaltsrobotern, wie Saug- und Wischroboter, Fensterputz- oder Gartenroboter. Die meisten dieser Roboter sind kleine, kompakte flache Geräte. Kommende Generationen von Haushalts- oder Servicerobotern könnten allerdings in humanoider Form daherkommen, „denn das erhöht ihre Akzeptanz“, ist Göttsch überzeugt. Der Einsatz humanoider Roboter ist angesichts des demografischen Wandels und einer alternden Gesellschaft besonders in der Pflege interessant, könnte aber auch dazu beitragen, dass Menschen länger zuhause leben können. Mitbewohner Roboter kann dann etwa an die Einnahme von Medikamenten erinnern oder erkennen, wenn der Bewohner gestürzt ist und Hilfe holen.
Superintelligenz noch nicht in Sicht
Grundsätzlich wird zwischen starker und schwacher KI unterschieden. ‘Strong AI’ oder ‘Superintelligenz’, die intellektuellen Fertigkeiten von Menschen gleichkommt oder sie gar übertrifft, ist noch immer Zukunftsmusik. ‘Weak’ oder ‘narrow AI’ hingegen ist auf die Erfüllung klar definierter Aufgaben ausgerichtet und wird bereits in vielen Bereichen des alltäglichen Lebens eingesetzt, etwa in Navigationssystemen, automatisierter Übersetzung oder der Bild- und Spracherkennung. „Die heutige KI ist sehr gut darin, wiederkehrende Daten und Strukturen in einer großen Datenmenge zu identifizieren und aus verschiedenen Blickwinkeln zu bewerten“, erklärt Göttsch. Das eröffnet vielfältige Anwendungsmöglichkeiten in Feldern wie Medizin, Verkehrsmanagement oder Predictive Planning – also dem Einsatz von voraussagenden Modellen auf Basis von statistischen Methoden und Machine Learning, um zu belastbaren Prognosen, beispielsweise für die Unternehmensplanung, zu gelangen.
Wir befinden uns mitten in einer Transformationsphase – am Ende übernimmt KI
Dabei ist der Einsatz von KI heute auf Assistenz, nicht auf Verdrängung des Menschen ausgerichtet. „KI soll die pure Datenflut managen und mit den Ergebnissen beispielsweise Ärzte oder Verkehrsplaner unterstützen. Oder aber Roboter dazu befähigen, Arbeiten zu übernehmen, die besondere Kraft erfordern oder von Menschen schlicht nicht gern erledigt werden. Allerdings ist Göttsch durchaus der Meinung, dass wir uns in einer Transformationsphase befinden, in deren Fortgang immer mehr Bereiche von Automatisierung, KI und Robotern, übernommen werden.
Basis für Lebensunterhalt neu denken
Und was wird dann aus dem Menschen? Wenn die Erwerbstätigkeit wegfällt, Menschen also nicht mehr in der Lage sind, sich und ihre Familien zu versorgen, führt das zu existenziellen Problemen. Den technologischen Transformationsprozess müsse ein gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Transformationsprozess begleiten, ist Göttsch deshalb überzeugt. „Wir müssen den Hintergrund für unseren Lebensunterhalt neu denken.“ Eine Möglichkeit: Wenn Lohnarbeit mehr und mehr wegfällt, könnte der Einsatz fürs Gemeinwohl entlohnt werden. „Durch neu gewonnene Freiräume könnten Menschen, je nach Können und Talent, ihre Kreativität im Kreativen, Sozialen oder in der Forschung einsetzen.“
ys/sb